Die Wiederentdeckung der NS-Krankenmorde. Die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit der NS-„Euthanasie“ in den 1970er und 1980er Jahren

Die Wiederentdeckung der NS-Krankenmorde. Die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit der NS-„Euthanasie“ in den 1970er und 1980er Jahren

Veranstalter
Dr. Esther Abel / PD Dr. Jan Erik Schulte, Gedenkstätte Hadamar; Prof. Dr. Volker Roelcke, Institut für Geschichte der Medizin, Justus Liebig Universität Gießen; Prof. Dr. Maike Rotzoll, Institut für Geschichte der Pharmazie und Medizin i. Gr., Philipps-Universität Marburg
Veranstaltungsort
Gedenkstätte Hadamar
PLZ
65589
Ort
Hadamar
Land
Deutschland
Findet statt
In Präsenz
Vom - Bis
12.10.2023 - 14.10.2023
Deadline
30.04.2023
Von
Esther Abel, Sammlungsmanagement, Gedenkstätte Hadamar

Eine Tagung zur „Wiederentdeckung“ der NS-„Euthanasie“ im Spiegel der Psychiatriereform, Erinnerungskultur und Historiographie, anlässlich des 40-jährigen Bestehens der Gedenkstätte Hadamar.

Die Wiederentdeckung der NS-Krankenmorde. Die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit der NS-„Euthanasie“ in den 1970er und 1980er Jahren

Die nationalsozialistischen Krankenmorde gehören zum Kern der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik, wurden allerdings über Jahrzehnte verdrängt. Obgleich es unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkrieges erste Gerichtsprozesse und frühe Studien gegeben hatte, erfolgten danach nur noch sporadisch Versuche der Auseinandersetzung mit den Verbrechen, denen nach heutigem Kenntnisstand etwa 300.000 Menschen zum Opfer gefallen waren. Erst in den 1970er und 1980er Jahren wurde die NS-„Euthanasie“ quasi „wiederentdeckt“, wurde in unterschiedlichen Fachdisziplinen und in einer zunehmend breiteren Öffentlichkeit über Voraussetzungen, Strukturen, Verantwortliche, Opfer und Kontinuitäten diskutiert. Dabei weist der Beginn der umfangreichen wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Auseinandersetzung deutliche zeitliche Parallelen mit der Psychiatriereform in Westdeutschland auf.
Die vorgesehene wissenschaftliche Konferenz will mit dem herausfordernden Begriff der „Wiederentdeckung“ die Umstände der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit der NS-„Euthanasie“ in den 1970er und 1980er Jahren und deren Wechselspiel mit der Psychiatriereform untersuchen. Hiervon ausgehend stellt die interdisziplinäre Tagung die Fragen nach Inhalten eben jener Auseinandersetzung, nach Entwicklungen und Akteuren sowie nach den Bezügen zwischen einzelnen Akteursgruppen und Disziplinen. Der Fokus liegt auf einer Kontextualisierung der gesellschaftlichen Umstände: Warum wurde die NS-„Euthanasie“ seit den 1970er Jahren vermehrt thematisiert? Inwieweit handelte es sich um abgeschlossene Fachdiskurse oder um größere gesellschaftliche Debatten? Wie entwickelten sich die Psychiatriereform und die Auseinandersetzung mit der „Euthanasie“-Geschichte in West- und Ostdeutschland? Inwiefern stießen Missstände in der Psychiatrie sowohl die Psychiatriereform als auch die Beschäftigung mit den Krankenmorden an? Wer waren die Akteure dieser Prozesse und welche Akteure oder Altersgruppen werden bis heute übersehen? Wann und unter welchen Umständen wurde die Beschäftigung mit der NS-„Euthanasie wissenschaftlich und erinnerungskulturell institutionalisiert? Welche Leerstellen gab es in den gesellschaftlichen Debatten?
Wie in einem Brennglas scheinen sich dabei im Jahr 1983 mehrere Entwicklungen zu bündeln: In diesem Jahr wurde die erste Dauerausstellung eröffnet, aus der die Gedenkstätte Hadamar hervorging, wurde der Arbeitskreis zur Erforschung der nationalsozialistischen „Euthanasie“ und Zwangssterilisation gegründet und erschien Ernst Klees bahnbrechendes Werk „Euthanasie“ im NS-Staat. Gleichsam natürlich bietet sich an, die Zusammenhänge zwischen Gedenkstättengründung bzw. Erinnerungskultur, Psychiatriereform und historischer Forschung zur reflektieren.
Das geplante Symposium möchte all jene zusammenführen, die sich mit Fragen zur Psychiatriegeschichte in den 1970er und 1980er Jahren sowie der historischen Aufarbeitung der NS-„Euthanasie“ und der Erinnerungskultur auseinandergesetzt haben. Dabei richtet sich die Veranstaltung insbesondere an diejenigen, die gegenwärtig entsprechende Forschungen vorbereiten oder durchführen und ihre Kenntnisse in einer auf den wissenschaftlichen Austausch hin angelegten Veranstaltung einbringen möchten. Es soll darum gehen, bestehende Ergebnisse zu hinterfragen, neue Ansätze zu diskutieren, Erkenntnisse zu bündeln und zugleich Desiderate und weiterführende Fragen aufzuzeigen.

Folgende Themenschwerpunkte der Tagung sind bislang geplant (jeweils zu den 1970er und 1980er Jahren):
- Psychiatriereform und Auseinandersetzung mit der NS-„Euthanasie“ in der DDR
- Psychiatriereform und Auseinandersetzung mit der NS-„Euthanasie“ in der Bundesrepublik
- Geschichts- und kulturwissenschaftliche Forschungen zur NS-„Euthanasie“
- Gesellschaftliche Akteure der Auseinandersetzung mit den NS-Krankenmorden
- Erinnerung an die NS-Krankenmorde

Bereits zugesagt haben (alle Titel sind Arbeitstitel, bzw. Themenbereiche):

Esther Abel / Jan Erik Schulte, Die Institutionalisierung der Gedenkstätte Hadamar in den 1980er Jahren
Susanne Heim, „Beiträge zur nationalsozialistischen Gesundheit-und Sozialpolitik“
Uwe Kaminsky, Die christlichen Kirchen und die Auseinandersetzung mit der NS-„Euthanasie“ in den 1970er und 1980er Jahren
Thomas Lutz, „Die Gedenkstättenlandschaft und die NS-‚Euthanasie‘ in den (frühen?) 1980er Jahren“
Katharina Rauschenberger, Friedrich Karl Kaul
Volker Roelcke, Formen der Historiographie zur Psychiatrie im Nationalsozialismus
Maike Rotzoll, Psychiatriereform, bzw. Geschichte der Pflege
Sebastian Schönemann, Die nationalsozialistische „Euthanasie“ als mediales Bild – Zur Darstellung der Tötungsanstalt Hadamar im Fernsehfilm „Holocaust“ (1979)
Hans-Walter Schmuhl, 40 Jahre nach dem Erscheinen von Ernst Klees „Euthanasie im NS-Staat“ – wo stehen wir heute?
Sascha Topp, Die Geschichte des Arbeitskreises zur Erforschung der NS-„Euthanasie“ und Zwangssterilisierung

Wir laden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Disziplinen Zeitgeschichte, Medizinhistoriographie, Politik- und Gesellschaftswissenschaften ein, Vorschläge für Vorträge einzureichen. Reise- und Übernachtungskosten für Referentinnen und Referenten werden übernommen.
Die Referate sollen einen Umfang von 20 min. nicht überschreiten, damit genug Zeit für Diskussionen bleibt. Bei Interesse senden Sie bitte ein Exposé (max. 3000 Zeichen) und einen kurzen Überblick über ihren wissenschaftlichen Werdegang bis zum 30. April 2023 an: Dr. Esther Abel, Gedenkstätte Hadamar, E-Mail: esther.abel@lwv-hessen.de, Tel.: +49 6433 918 45 22.

Kontakt

Dr. Esther Abel, Gedenkstätte Hadamar, E-Mail: esther.abel@lwv-hessen.de, Tel.: +49 6433 918 45 22